Die Taxianarchie im Norden

“20,40 DM vom  Ballhaus nach Hause? Das kann ja gar nicht sein. Das letzte Mal mußte ich nur 19 DM bezahlen.”
 â€œDa sind Sie sicher nicht mit einem Taxi gefahren.”
“Doch sicher, das war nicht mal so ein rotes, sondern eins mit Schild.”
“Und der Preis stand auf dem Taxameter?”
“Ja. Und Ihr Taxameter geht falsch. Alle Taxifahrer wollen bescheißen. Muß das sein? Ist ja schließlich teuer genug.” ...

Diese  Unterhaltung kennen wir ja schon zur GenĂŒge. Tariferhöhung oder schlechtes GedĂ€chtnis machen solche StreitgesprĂ€che mit Kunden möglich. Aber in den letzten Monaten gibt es immer hĂ€ufiger einen anderen Grund  fĂŒr den Ärger: Die Taxianarchie im Norden der Stadt.

Ballhaus Blue: TagsĂŒber leerDoch nachts tobt hier der BĂ€r

Eine kleine RĂŒckblende: 

Eine ganz normale Samstag-Nacht im MĂ€rz dieses Jahres: In Oldenburgs City ist alles gelaufen. Seit dem Herbst hat ein Abschwung das Personenbeförderungsgewerbe erfaßt. Selbst in der Kohlfahrtzeit ist alles bis auf den harten Kern um 3 Uhr zu Hause. Doch an einer Stelle tanzt auch jetzt noch der BĂ€r:  Im neuen Ballhaus Blue an der Wilhelmshavener Heerstraße gehts rund wie in alten Zeiten. Die Taxen (und Mietwagen) kommen und fahren im Minutentakt. Selbst zu so spĂ€ter Stunde trifft noch so mancher Gast ein, hĂ€ufig mit dem eigenen PKW, manchmal aber auch  gebracht von Oldenburger Taxen. Obwohl die ersten GĂ€ste den Laden um diese Zeit wieder verlassen, und jeder weiß, daß hier oft lukrative Touren warten, macht sich manch Oldenburger TaxifahrerIn danach gleich wieder aus dem Staub. “Als Vierter anstellen, na wer weiß, wie lange man hier warten muß. Und außerdem ist ja nicht mal Platz zum Rangieren. Und dann auch der Ärger mit den Taxifahrern, die hier schon stehen ...”

Ärger???

Ja! Denn hier kommt man sich schnell vor wie ein ungebetener Gast. Ganze Taxiflotten aus dem  Landkreis Ammerland stellen hier jedes Wochenende alle verfĂŒgbaren FreirĂ€ume zu. Beim Versuch, sich dort einzureihen, soll Oldenburger Taxifahrern schon das eine oder andere Mal PrĂŒgel fĂŒr den  Fall angedroht worden sein, daß man nicht gleich wieder verschwinde. (Solche ZustĂ€nde gab es zuletzt vor einigen Jahren vor dem Lambada. Nach dem Einrichten eines Taxistandes an der  Bloherfelder Straße erledigte sich das Problem und vor kurzem auch das Lambada selbst.) In der Folge ĂŒberließen in den letzten Monaten die friedliebenden unter den Oldenburger TaxifahrerInnen zĂ€hneknirschend, aber mehr oder weniger kampflos den “Kollegen” aus dem Ammerland das Terrain.

Jetzt wird verlangt, daß die Standesvertreter die VerhĂ€ltnisse wieder zurechtrĂŒcken. Doch das ist nicht ganz so einfach, wie sich das manche denken. 

Denn fĂŒr die Sanktionierung von Taxiunternehmern aus dem Ammerland ist deren Genehmigungsbehörde zustĂ€ndig und nicht das Oldenburger Ordnungsamt. Dieses könnte nur  eingreifen, wenn sich zum Beispiel VerstĂ¶ĂŸe gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen ergeben wĂŒrden. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall, zumal es sich bei dem Parkplatz vor dem Tanzlokal um PrivatgelĂ€nde handelt. Das Ordnungsamt Oldenburg hat im MĂ€rz nach einem Anstoß aus Unternehmerkreisen der zustĂ€ndigen Behörde in Westerstede entsprechende Informationen  zukommen lassen. Diese könnte das unzulĂ€ssige Bereitstellen mit einem Verweis auf das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) untersagen (siehe “Recht” weiter unten). Das Ob, Wann und  Wie steht aber noch in den Sternen.

ZusĂ€tzlich stĂŒnde den Oldenburger Unternehmern noch die Möglichkeit offen, gegen das Verhalten  der AmmerlĂ€nder Taxen wettbewerbsrechtlich vorzugehen. Doch zu belegen, daß eine Taxe sich vor dem Ballhaus unzulĂ€ssig bereitstellt, scheint schwierig zu sein. Ähnliche Versuche in Bezug auf  vergleichbare VerstĂ¶ĂŸe von Mietwagen sind bisher ebenfalls meistens im Sande verlaufen. Von solchen Schritten in Sachen Ballhaus ist der Redaktion nichts bekannt.

Es ist auch fraglich, ob die Oldenburger TaxifahrerInnen bei einem erfolgreichen Vorgehen wirklich mehr zu tun haben werden. Denn nicht nur AmmerlĂ€nder Taxen stehen dort unzulĂ€ssig bereit, eine  Aufstellung von Oldenburger Taxen wĂ€re in Ermangelung eines Taxistandes zumindest zur Zeit ebenfalls ein Verstoß gegen das Personenbeförderungsrecht. Das Einrichten eines Standes auf dem  (privaten) GelĂ€nde vor dem Ballhaus ist zwar möglich, da es sich dort um ein sogenanntes tatsĂ€chlich öffentliches GrundstĂŒck handelt, das jedem beliebigen Nutzer als Parkplatz zur  VerfĂŒgung steht. Ähnlich wie bei den großen FlughĂ€fen wĂŒrde dieser Stand aber nach Abschließen eines Nutzervertrages mit den EigentĂŒmern und/oder Zahlung einer entsprechenden Miete  möglicherweise nicht allen Oldenburger Taxiunternehmen zur VerfĂŒgung stehen. Da in Ermangelung eines Airports die Oldenburger bisher keine Erfahrung mit solchen Regelungen sammeln konnten, könnte auch hier Ärger drohen.

Wenn aber Taxen von wo auch immer nur nach telefonischer Bestellung anfahren wĂŒrden, zögen die Einheimischen den kĂŒrzeren: Haustaxi des Ballhaus Blue ist erklĂ€rtermaßen die Firma Kogler aus Rastede. In einem GesprĂ€ch mit DER INNENSPIEGEL bestritt deren Inhaber, Hans Kogler, daß dort Bereitstellung betrieben wird (siehe Bericht “Vater Unser”). Doch das Protokoll auf der Titelseite  dieser Ausgabe zeigt, daß das so nicht stehen bleiben kann.

Die Redaktion fĂŒhrte in einer Nachtschicht von Samstag auf Sonntag Anfang MĂ€rz eine zweistĂŒndige ÜberprĂŒfung der ZustĂ€nde vor Ort durch.

Ergebnis:

  1. Hier kann man richtig Geld machen (51 Fahrten in weniger als 2 Stunden).
  2. Hier stehen fast nur AmmerlÀnder Taxen.
  3. Hier steht nicht nur die Firma Kogler.
  4. Hier stehen nur selten Mietwagen.
  5. Oldenburger TaxifahrerInnen verlassen den Ort nach Bringen von GĂ€sten fast immer fluchtartig.
  6. Leer aus Wahnbek kommende Oldenburger TaxifahrerInnen fahren fast immer am Ballhaus vorbei.
  7. FahrerInnen, die Bestelltouren aus dem Ballhaus holen, melden sich an der Kasse und werden fast immer gleich besetzt.
  8. Die meisten FahrerInnen steigen nicht aus, melden sich nicht an der Kasse und bekommen trotzdem bald Kundschaft.
  9. Den ersten beißen sehr oft die Hunde: Weil die Wagen sich aufgrund der beengten VerhĂ€ltnisse in der Regel rĂŒckwĂ€rts aufstellen, steigen FahrgĂ€ste fast immer vorne - also hinten - ein.
  10. Die daraus resultierenden ungleichmĂ€ĂŸigen Wartezeiten der einzelnen FahrerInnen sorgen (unerwartet) zumindest in dieser Nacht fĂŒr keinerlei Ärger.
  11. Das bleibt auch so, als einige unerschrockene Oldenburger Kollegen sich einreihen oder gar einfach bis zum Eingang vordrÀngeln.

Einige dieser Ergebnisse hatten wir erwartet, andere nicht, z.B. die Tatsache, daß trotz bis zu zeitweise neun Taxen vor der TĂŒr immer mal wieder eine andere Firma oder ein bestimmtes Fahrzeug bestellt wird.

 Einen Schluß lĂ€ĂŸt das Ganze aber zu: UnzulĂ€ssige Bereitstellung hin oder her - die Oldenburger TaxifahrerInnen lassen sich hier unnötig die Butter vom Brot nehmen. Zumindest solange  behördlicherseits nicht gegen die ZustĂ€nde dort eingeschritten wird, ist es legitim, wenn die Einheimischen mehr PrĂ€senz zeigen, nicht mehr vor der Kundschaft flĂŒchten und in der Folge der  Platz, der den Ammerlandtaxen bleibt, auf ein Minimum reduziert wird. Dann wird auch der Ärger um die Fahrpreise von dort wieder seltener werden: Denn im Ammerland ist Taxifahren auf Strecken bis etwa 14 km billiger als in Oldenburg. Kein Wunder, daß da Mißstimmung bei den FahrgĂ€sten aufkommt.
(jr)
 

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