09.03.2010

“Kann sein, muß aber nicht”

Taximord: Angeklagter hat fĂŒr (fast) alles eine Antwort

Der erste Verhandlungstag im Prozeß um den Mord an einem Oldenburger Taxifahrer und dem Mordversuch an einer Delmenhorster Taxifahrerin in Stuhr endete ohne Überraschungen. Wie schon zu Beginn der Ermittlungen gestand der angeklagte 20-jĂ€hrige Mann aus Lemwerder den Angriff auf die Delmenhorster Fahrerin. Mit dem Mord an der Oldenburger Stadtgrenze am Tag davor habe er dagegen nichts zu tun.

Zugegeben

Der Angeklagte Ă€ußerte sich auf Fragen des prĂ€zise und ruhig verhandelnden Richters Dr. Janßen gut ĂŒberlegt und in sich fast widerspruchsfrei. Hinsichtlich des Tatablaufs in Stuhr gab es nur wenige Unterschiede zwischen der Schilderung des Angeklagten und der der Taxifahrerin. Sichergestellte Bekleidung und die Waffe wurden vom Angeklagten als eigene identifiziert. Er habe per Drohung mit dem Messer an das Geld der Fahrerin kommen wollen. Die folgenden Messerstiche kommentierte er: “Mein Geist  hat ausgesetzt.”

UngeklĂ€rt blieb die Frage, warum der Angeklagte die Geldbörse der Fahrerin nicht genommen hatte, als sie wĂ€hrend deren Flucht aus dem Taxi auf den Boden vor dem Fahrersitz fiel. Der Angeklagte war nach ĂŒbereinstimmenden Aussagen erst danach ebenfalls ausgestiegen und hatte die Geldbörse dann von außerhalb des Taxis aus weiter erpreßt, wozu die Fahrerin sie aus dem Fahrzeug holen mußte. Nachdem er die Geldbörse erhalten hatte, flĂŒchtete der Angeklagte.

12 Stiche in Brust, RĂŒcken, Arme und Gesicht, die mit erheblicher Gewalt ausgefĂŒhrt wurden, hinterließen bei der Taxifahrerin Spuren. Nach zwanzig Jahren Taxifahren sei sie jetzt unter Gehaltseinbußen nur noch in der Zentrale tĂ€tig. Körperliche SchĂ€den seien verheilt (sie waren laut Gutachterin “konkret lebensbedrohlich”), sie aber weiter in psychotherapeutischer Behandlung.

“Jetzt kommen wir zu Freitag”

Vage, oft floskelhafte AuskĂŒnfte kennzeichneten dagegen die Aufarbeitung des Oldenburger Tathergangs.
“Dieses Sweat-Shirt wurde am Tatort gefunden - ist das Ihres?”
“Ich habe zwei davon, kann also sein, muß aber nicht.”
“Diese MĂŒtze wurde am Tatort gefunden - ist das Ihre?”
“Ich habe zwei davon, kann also sein, muß aber nicht.”
“Wissen Sie, wie die Bekleidung an den Tatort gelangt ist?”
“Nein.”
“Dieses Messer wurde am Tatort gefunden, mit DNA-Spuren nur von Ihnen und dem Getöteten - ist das Ihres?”
“Kann sein, muß aber nicht, ich habe viele Messer.”
 â€œWie kommt das Messer dahin?”
“Das kann ich mir nicht erklĂ€ren. Mir fehlen Messer, die können zu Hause rumliegen oder sonstwo.”

WidersprĂŒche

Der Angeklagte sagte auf Befragen, er habe nach Feierabend eine Baustelle in der NĂ€he des Bahnhofs gemeinsam mit den Kollegen um 15.30 Uhr verlassen. Die abgestempelte Bahnfahrkarte eines der Kollegen weist 14.20 Uhr aus.

Dem Angeklagten seien auf der RĂŒckfahrt nach Lemwerder in Ohmstede 5 bis 7 Polizeifahrzeuge entgegengekommen. Der Richter erklĂ€rte, es gebe keine Anhaltspunkte dafĂŒr, daß dort zu dem Zeitpunkt eine solche Menge an Polizeifahrzeugen unterwegs gewesen sei.

Obwohl der Angeklagte zu Beginn Ă€ußerte, an Geld habe es fĂŒr ihn nicht gemangelt, deutet bisher vieles auf Geldbeschaffung als Tatmotiv hin. Zur Tatzeit soll ein Kollege geliehenes Geld zurĂŒckgefordert haben. Im persönlichen Umfeld hatte der Angeklagte weiteres Geld geliehen.

Warten aufs GestÀndnis

Der Richter deutete mehrfach auf die Vorteile von kooperativem Verhalten von Seiten des Angeklagten hin. Er wurde zumindest nicht in der Form erhört, als daß ein GestĂ€ndnis folgte.

Angesichts umfangreichen Beweismaterials kam von der NebenklĂ€gerseite die Frage auf, ob auch am Freitag wie am Folgetag in Stuhr sein Geist ausgesetzt habe. “Wenn ich es wissen wĂŒrde, wĂŒrde ich es sagen. Ich kann Ihnen aber nichts dazu sagen. Tut mir leid.” Den getöteten Taxifahrer will der Angeklagte noch nie gesehen haben.

(jr)

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