01.04.2012

Studienerfolg

Deutscher Taxipreisindex im freien Fall

Ein überraschend niedriges Preisniveau hat eine Studie des Reiseportals ab-in-den-urlaub.de über die deutschen Taxitarife ergeben. Das Portal stellte dazu Angaben über den Grundpreis, den Standardtarif je Kilometer und die Kosten für 20 Minuten Wartezeit von 118 deutschen Städten sowie je fünf aus der Schweiz und Österreich zusammen. Anhand einer Beispielrechnung wurden zusätzlich noch die Kosten für eine fünf Kilometer lange Fahrt mit einer fünfminütigen Stau-Unterbrechung erhoben.

Die aus den Daten resultierenden Rankings fanden in den letzten Tagen bundesweite Verbreitung, nicht zuletzt auch durch eine oft schlagzeilenträchtige Verkürzung auf wenige Auszüge. “So teuer ist Taxifahren in Hamburg”, “Konstanz gehört zu den günstigeren Städten” ... Taxivertreter äußerten inzwischen hier und da Unverständnis.  “Taxistudie prangert Verden an” brachte die örtlichen Taxiunternehmer sogar auf “180”.

In der portalseigenen Meldung wird zwar vorsichtshalber mehrfach darauf verwiesen, daß die Tagestarife und die Standardpreise pro Kilometer ohne die höheren Gebühren für die „ersten Meter“ zur Auswertung gekommen seien. Davon abweichende Preise habe man aus Gründen der  Vergleichbarkeit jedoch nicht ausgewertet. Ein Blick hinter die Zahlenkulisse zeigt allerdings: Die Datenaufbereitung krankt an vielen Stellen. In Zeiten von Inklusiv-, Karenz- und Staffeltarifen läßt sich eine nachhaltige Berechnung nicht auf wenigen Parametern aufbauen. Genau das aber versucht die Studie.

Unkonventionelle Datenaufbereitung

Aus den verbreiteten Daten läßt sich eine unkonventionelle Datenaufbereitung ablesen:

  • Inklusivstrecken
    In Bielefeld, Dortmund, Osnabrück und Verden wurden bei den Beispielstrecken volle 5 Kilometer auf die Grundgebühr aufgeschlagen, obwohl eine Teilstrecke schon enthalten ist.
  • Staffelpreise
    Bei den mittlerweile sehr verbreiteten Staffeltarifen wurde unabhängig von der Geltung für eine 5 km lange Strecke die günstigste Tarifstufe oder der noch niedrigere Rundfahrttarif (z.B. Konstanz, Schwäbisch Hall) genutzt.
  • Karenztarife
    Die freien Minuten der Karenztarife z.B. in Berlin und Hamburg fanden keine Berücksichtigung. In einem einzelnen Stau würde die Zeitberechnung zwar nach Ablauf der Karenzzeit einsetzen, im realistischen Stop-and-Go-Verkehr jedoch nicht.
  • Wartezeiten
    Wartezeiten in den Städten mit zwei Zeittarifen flossen anteilig in die Studie ein, auch wenn der höhere Wert erst nach mehr als 5 Minuten zum Zuge kommt.
  • Tag und Nacht
    Obwohl ausdrücklich auf die Verwendung der Tagestarife verwiesen wird, erfolgte bei unterschiedlichen Grundgebühren und Wartezeitpreisen für Tag und Nacht eine Mittelung.

Unterm Strich

Auf der Grundlage eines einzelnen Stops von 5 Minuten liegen die Preise für die Beispielstrecken im wahren Taxileben deutlich dichter zusammen als in der Studie. Die Abweichung der 118 deutschen Tarife zur Studie beträgt in der Summe knapp + 8 %, die Einzelwerte liegen zwischen 62 % höher und 21 % niedriger. Die Wirkung der sogenannten Umschaltgeschwindigkeit sowie die realistischere Stop-and-Go-Variante bei den Karenztarifen blieben bei diesem Vergleich genauso außen vor wie die Tarife aus den Nachbarländern.

Aufatmen in Verden?

Düsseldorf, Bielefeld, Offenburg, Verden führen das Beispielstreckenranking der Studie an. Neu berechnet werden Platz 3, 36, 7 und 45 daraus. Einige Städte rutschen dadurch deutlich die Tabelle hoch (z. B. Karlsruhe von 61 auf 6, Straubing von 100 auf 8), andere fallen entsprechend (z. B. Neuss von 15 auf 110, Mönchengladbach von 19 auf 115). Die oben erwähnten Taxiunternehmer aus Verden könnten aufatmen. Doch es ist zu befürchten, daß die plakativen Meldungen der letzten Tage bei den Fahrgästen noch länger für Verwirrung oder gar Verärgerung sorgen. Schlimmer als Verden dürfte es dabei die Städte treffen, bei denen der tatsächliche Preis erheblich höher liegt, als gerade den Zeitungen zu entnehmen war, z. B. in Konstanz, Schwäbisch Hall oder Siegen.

Wo bleibt Oldenburg?

In der Studie kommen eine Grundgebühr von 2,50 €, ein Kilometerpreis von 1,10 € und das Wartezeitentgelt von 22 € zum Tragen. Auf der Basis von 1,70 € für die ersten 5 Kilometer und Berücksichtigung von 3 Karenzminuten liegt Oldenburg knapp 5 % unter Bundesschnitt und steigt damit im Ranking von Platz 106 auf 82. Verteilte man den Stau der Studie auf mehrere Stops, läge der Rückstand zum Bundesschnitt  bei knapp 11%.

Momentaufnahme

Eine Tücke der Rankings aus Taxitarifen soll nicht unerwähnt bleiben: Sie stellen immer nur eine Momentaufnahme dar. Jede folgende Tarifänderung verschiebt  zwangsläufig die Reihenfolge. Im obigen Vergleich fanden unabhängig von der Aktualität die gleichen Tarife wie in der Studie Verwendung. Davon wurden inzwischen mehr als zwei Dutzend von den zuständigen Städten und Landkreisen ersetzt.

jr

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