01.April 2008

Von vorgestern

Titel „Stadt der Wissenschaft 2009“ hing am dünnen,  hellelfenbeinfarbenen Faden

„Übermorgenstadt“ war das Motto der Kampagne, mit der die Stadt Oldenburg Ende Februar in Jena den begehrten Titel „Stadt der Wissenschaft 2009“ gewann. Ein toller Erfolg, der die Huntestadt bundesweit in die Schlagzeilen brachte, zumal drei Abstimmungsrunden notwendig waren, um die Konkurrenten aus Lübeck und Konstanz zu distanzieren.

Für eine Schrecksekunde bei der Oldenburger Delegation sorgte allerdings eine ungewöhnliche, fünfzehnminütige Vertagung der Entscheidungskommission: Wie erst jetzt bekannt wurde, hatten zwei Jurymitglieder Zweifel an der Umsetzbarkeit des Oldenburger Konzepts.

Beide hatten zu Beginn des Jahres der Huntestadt - vergleichbar mit den Reisen des Olympischen Komitees in die jeweiligen Bewerberstädte - einen Besuch abgestattet, um sich vor Ort zu informieren. „Es stellte sich für uns die Frage, wie Wissenschaftler und interessierte Besucher der Stadt zu den Standorten der Ãœbermorgenstadt überhaupt hinkommen sollen, wenn selbst die örtlichen Taxifahrer nicht wissen, wo diese sind“, so ein Jurymitglied auf Nachfrage des INNENSPIEGEL. Konkret ging es um die Marie-Curie-Straße, die Fritz-Bock-Straße und die Straße An der Großen Wisch. „ Sicherlich müsste ein Oldenburger Taxifahrer wissen, wo sich das Hörzentrum befindet, aber wenn er es schon nicht weiß, sollte er zumindest in der Lage sein, den Straßennamen unfallfrei ins Navi einzutragen. Aber selbst dass ging schief!“ 

Den absoluten Tiefpunkt erlebte der Delegationsleiter, als er sich wegen eines dringenden privaten Termins zurück in seine Heimatstadt Hannover fahren lassen wollte. Als er das Taxi bestieg, fiel ihm auf, dass der Wagen keine Umweltplakette hatte (und wohl auch niemals eine bekommen würde ...). Er machte den Fahrer darauf aufmerksam, dass sein Wohnhaus innerhalb der Hannoveraner Umweltzone liege und der Fahrer deshalb ein Bußgeld riskiere. „Macht nix! Zahlt Chef!“, war die Antwort und selbst der Hinweis, dass sogar das Punktekonto in Flensburg belastet werden könnte, konterte der Fahrer mit einem „Egal! Hauptsache so eine weite Tour!“. Und so lautete die niederschmetternde Zusammenfassung des Jurymitglieds: “Wie kann man das Konzept einer Übermorgenstadt glaubwürdig vertreten, wenn das Taxigewerbe in Oldenburg von vorgestern ist?“

Zurück zum Finale nach Jena.

Die Unruhe wurde bei Oberbürgermeister Schwandner und Unipräsident Professor Schneidewind umso größer, als sie erfuhren, warum die Jury sich vertagt hatte. Die Oldenburger Delegation zog sich ebenfalls zu Beratungen zurück.

Wie konnte die Kuh noch vom Eis geholt werden?

Oberbürgermeister Schwandner wandte sich an die mitgefahrene Frauenbeauftragte der Stadt; er hätte da mal was vom Frauenmobil gehört. Ob das nicht noch ein vorzeigbares und zukunftsorientiertes und zur Imagerettung des Taxigewerbes heranziehbares Projekt sei? Das müsse sie leider verneinen, da das Frauenmobil zwar von Taxen und Mietwagenbetrieben gemeinsam durchgeführt werde, sich die Kundinnen aber bei Bestellungen eklatant einseitig für die Mietwagenfirmen entscheiden würden! Die Miene von Professor Doktor Schwandner verdüsterte sich nur kurzzeitig. „Aber das ist doch prima!“, entfuhr es ihm plötzlich und er klopfte aufgeregt an die Tür des Sitzungszimmers der Jury ...

Und so kam es, dass eine Information, die dem Verkehrsausschuss und der Öffentlichkeit bisher bewusst vorenthalten wurde, mit dazu beitrug, den Titel „Stadt der Wissenschaft 2009“ nach Oldenburg zu holen.
Das war knapp!

gl

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