16.02.2012

Mit Hedwig wäre das nicht passiert

Namensgebung für Oldenburger Straßen unter der Lupe

Jüngst flatterte mir eine Presseinformation der Stadt Oldenburg ins Mailfach. Ich las:

Der erste Blick führt manchmal in die Irre. Zufall, daß er auf die zweite Zeile fiel anstatt der ersten. Wissenschaftliche Untersuchung, toll, dachte ich. Die Arbeiten von Dietrich Kohl und Friedrich Schohusen endlich mal fortgeführt und auf den neuesten Stand gebracht.

Blitzschnell sausen die Gedanken, die jahrelange Beschäftigung mit Straßennamen prägt die Hirnwindungen. Endlich nur noch Nachnamen statt Bandwürmer, das wäre ein Gewinn.

Neulich, im Taxi:

"Ich möchte zur Straße mit dem längsten Straßennamen in OL."
"Klar kein Problem." Ab gehts Richtung Kreyenzentrum.
"Wo fahren Sie denn hin?"
"Friedrich-Christoph-Dahlmann-Straße"
"Nein, ich muß in die Annette-von-Droste-Hülshoff-Straße."
"Die hat aber einen Buchstaben weniger."

Genaugenommen hat sie ein Zeichen weniger, aber zwei Buchstaben.

Dahlmannstraße, das wäre ein Traum beim Formularausfüllen. Weitere Namen schießen vorbei, Vringstraße, schön kurz, aber ein potentieller Navikiller. Deusstraße, Kirchnerstraße, in der Kürze liegt die Würze. An die Kompaktheit eines Knies oder Knicks kommt ohnehin keiner ran.

Aber halt - Hedwig Heyl steht da auch noch oben drüber, und gesellschaftlicher Konsens. Gehts etwa schon wieder um Frauennamen? Die sahen einige Ratsmitglieder in den letzten Jahren benachteiligt und forderten deutlichere Benennungen..

An der Wittebäke, nicht kurz aber schön, Wunschname etlicher Neubaugebietler vor ein paar Jahren. Wem mußte er weichen? Bettina und Rahel, mit Anhängsel selbstverständlich. Wer käme auch schon darauf, daß sich Frauen hinter den seltenen Nachnamen verstecken, hätte man sich auf sie beschränkt.

Einmal hatte es ein kurzer Straßenname schon in die Verwaltungsvorlagen geschafft, dann wurde nach deutlicher Kritik eine Lise vorangestellt. Nun ist eine Verwechslung mit den unzähligen anderen Meitners ausgeschlossen.

Aber auch die Männer wurden bedacht. In Eversten-West hätte es kurz und knackig werden können, Inselnamen für die kommende Insellandschaft. Der Bürgerverein sahs nicht gern und beehrte den Straßensucher mit Hein, Heinrich und Georg, Nachnamen inklusive. Okay, Heinrich wohnt schon nebenan und Georg in der Innenstadt, aber hätten es die Nachnamen allein nicht getan?

Genug des Ärgers. Worum gehts hier eigentlich? Wer war Hedwig Heyl? Wikipedia weiß mehr. Oha! Schlecht, wenn der Name offenbar auch zum Programm wurde. Da wird sie wohl bald den Weg der Dr. Edens und Poppelreuters antreten müssen. Ihr Engagement für Frauenrecht und Sozialpolitik, vor dem Hintergrund der sonstigen Biografie wird es heutzutage als wertlos betrachtet.

Wer wird nach der wissenschaftlichen Untersuchung des Rests folgen? Hindenburg? Der hat schon 1988 seine Schule verloren. Ferdinand Sauerbruch und Ina Seidel stehen auch andernorts unter Beschuß. Und - über den Stadtrand hinausgeschaut - Agnes Miegel? Die ist gerade erst nach Friedrichsfehn gezogen. Umbenennungen in anderen Städten zeigen, daß man nicht zu große Briefpapiervorräte mit diesem Kopf anlegen sollte. Zu schlechter Letzt sind auch die Oldenburger Heerstraßen ein Relikt aus jener Zeit, die jetzt unter die Lupe kommt.

Was wären die zukunftssicheren Alternativen?

Abstraktion zum Beispiel. Mannheim setzt in der Stadtmitte auf D3 oder E7. Berlin nummeriert die Straßen schon mal durch, Straße 1, Straße 2 ... Passend verteilt, wie z.B. in Manhattan, ließe sich das Navi einsparen. Doch die Zahlen haben ihre Tücken, in Berlin gibts selbst die 1 schon mehrfach, und spätestens nach 87 kommen sie an ein Heylsches Ende.

Bleiben die Vornamen. Davon gibt es eine ausreichende Menge. Streitigkeiten, ob sie nicht die Falsche oder den Falschen ehren sollen, wären obsolet. Sie sind meinungswandel- und zeitensicher. Oder man besinnt sich eben auf die Oldenburger Klassiker: Beschreibungen wie Am Ende und Ewigkeit sind von keinem menschlichen Namensgeber zu toppen.

Fazit:

Mit Hedwig wäre das nicht passiert. Aber es hätte schon ein -weg dranhängen müssen, die Straße gäbe es sonst doppelt.

Und - wenn wir schon dabei sind - im nächsten Leben heißt es bitte Annettestraße, AvDH-Straße ist mir zu kryptisch, der ganze Nachname immer noch zu lang.

(jr)

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Hinweis:
Auf Antrag der Gruppe DIE LINKE./Piratenpartei beschäftigt sich der Verkehrsausschuß am kommenden Montag, dem 20.02.2012, um 17 Uhr im Technischen Rathaus mit dem Thema “Umbenennung der Hedwig-Heyl-Straße”.

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