23.07.03
Taxen als Verlierer der Gesundheitsreform
Künftig keine Krankenfahrten mehr mit dem Taxi?
”Fahrtkosten für Taxi- und Mietwagenfahrten werden in der ambulanten Behandlung grundsätzlich nicht mehr erstattet. Ausnahmen davon gibt es nur noch nach Genehmigung durch die Krankenkasse (z.B. für Dialyse-Patienten).”
Diese besorgniserregenden Sätze findet man unter Punkt 7.3. der Eckpunkte der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform. Ist das nach der Einführung der Selbstbeteiligung von 5 DM vor 20 Jahren, 20 DM vor 14 Jahren und später 25 DM / 13 EUR jetzt das endgültige Aus für die Krankenfahrten?
Wie auch die anderen von den Kürzungen Betroffenen fahren die Lobbyisten schon mal die Sturmgeschütze auf. Der BZP erwartet, daß in der Folge “kurzfristig 60 bis 80% der ländlichen Taxi- und Mietwagenunternehmen aufgeben müssen”. Auch für die Bewohner dieser Gebiete sieht der Bundesverband schwarz: Durch die Aufgabe sei die Mobilität dort schärfstens betroffen, die Verkehrssicherheit sei bedroht, weil Alkoholunfälle zunehmen könnten. Das sind Argumente, die sich nicht von der Hand weisen lassen.
Die Einsparungen sind auch Dauerthema in den aktuellen Tageszeitungen. Es soll hier der Einfachkeit halber auf die neue News-Suchmaschine von Google verwiesen werden, die bei der Suche nach relevanten Seiten zum Thema ganze Arbeit leistet - versuch es mal mit den Begriffen taxi und gesundheitsreform.
Im Achimer Kurier findet man die erste halbwegs positive Nachricht: Danach berichtet ein Ottersberger Taxiunternehmer, daß es wohl darauf hinaus laufe, daß die Ärzte bei chronisch Kranken und Bedürftigen künftig noch genauer prüfen sollen, ob eine Fahrt notwendig sei. Er rechne mit Mindereinnahmen von 10 Prozent.
Ein paar Zahlen am Rande: Die Ausgaben für Krankentransporte und Rettungsdienste im Rahmen des Gesundheitswesens betrugen laut Statistischem Bundesamt 2001 2,184 Milliarden EUR bei Gesamtausgaben von 222 Milliarden EUR. (jr)
Kommentar:
Gewinner wie immer: Die Bürokraten
Auch wenn wir uns hier in der Regel aus politischen Dingen heraushalten: Es muß deutlich gesagt werden, daß die aktuelle Gesundheitsreform - so wie es heute aussieht - letzten Endes mal wieder nur ein “Pfurz im Wind” ist. Stinkend genug aber, daß der Großteil aller Leistungserbringer im Gesundheitswesen mal wieder aufschreit. Mitten drin: die Taxler.
Keine Frage - die Finanzierung des Gesundheitswesens ist arg reformbedürftig. Der den Versicherten jetzt versprochene Ausgleich in Form sinkender Beiträge für die Mehrbelastungen wird aber nicht dauerhaft machbar sein. Die Beiträge werden weitersteigen. Dafür sorgt allein schon der demografische Wandel.
Wer sich näher mit den vorgestellten Maßnahmen beschäftigt, wird aber vor allem erkennen, daß es einen wahren Gewinner gibt. Der Bedarf an Rechenkünstlern, Inkassostellen und weiterem Bürokratentum wird zunehmen. Ein Beispiel nur: Die geplante Zuzahlung beim Arztbesuch: Im Gespräch ist eine SB mit einem Mindest- sowie einem Höchstbetrag pro Besuch und das auch nur einmal im Quartal. Schon mal darüber nachgedacht, was daraus in der Praxis wird? Bei Überweisung, Arztwechsel oder einem Notfall? Ich sehe schon die Schlagzeile: “Arzt bei Feierabend beraubt. Ein Bewaffneter verlangte die Herausgabe der Tageseinnahmen.” Ähnlich komplizierte Regelungen sind im übrigen auch an anderen Stellen geplant.
Vielleicht sollte das Taxigewerbe eigentlich nur froh sein, künftig endlich mit diesem Unfug nichts mehr zu tun zu haben. Die Geldbörsen können wir bei Betriebsschließung an die Ärzte weiterreichen. Aus den Taxen lassen sich Krankenwagen basteln (der BZP prognostiziert einen Mehrbedarf). Danach gehts dann zum Sozialamt. Doch halt: Auch für die Empfänger der Sozialhilfe soll eine SB eingeführt werden. Da erscheint dann doch ein Ausweg sinnvoller: Umschulung und ab in die (SB-)Verwaltung.
Oder möchtest Du abwarten, bis der Preis für Krankenfahrten sich nach dem Einkommen des Beförderten bemißt? Nachzuweisen durch den beglaubigten letzten Einkommensbescheid? Zu errechnen mittels eines aus einer mitzuführenden Tabelle abzulesenden Multiplikators? Zu bescheinigen in x-facher Ausfertigung für alle anderen damit befaßten Stellen?
Allen, die auch jetzt noch nicht genug haben, sei hier ein Buch empfohlen, das zwar aus 1989 stammt, aber gewissermaßen mit dauerhafter Aktualität versehen ist: “Die Krankheit des Gesundheitswesens - Die Fortschrittsfalle der modernen Medizin” von Statistikfachmann Walter Krämer aus dem Verlag S. Fischer. Zitat: “Das Gesundheitswesen belohnt und züchtet Korruption und bestraft systematisch Vernunft und Sparsamkeit.” Eben. (jr)
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