Glücksspiele

Wir alle kennen das: Es gibt Schichten, da klebt uns förmlich das Pech an den Reifen, wir sind nie zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und die wenigen Fahrgäste, die sich in unser Taxi verirren, wollen  nur um die Ecke und/oder machen zeitintensive Probleme. Mit wievielen verschiedenen Gesichtern uns das Pech begegnen kann, wissen wir ja aus leidvoller Erfahrung. Aber wir alle kennen auch dieses: Es gibt  Schichten, da fährt uns das Glück förmlich hinterher, was immer wir anfassen, es gelingt, eine Auswärtstour jagt die nächste, wir geraten durchweg an angenehme Fahrgäste und das Trinkgeld ist üppig. Wie dem  bekannten Automatenspieler, der mit seinem goldenen Finger jedesmal im richtigen Augenblick die Risikotaste drückt, so locker geht uns das alles von der Hand.
Wohl jeder hat schon versucht, ein System  von Glücks- und Pechsträhnen zu erkennen, um zumindest den schlechten Zeiten zu entgehen und nur die Sahneschichten vom Kuchen abzuschaufeln. Ich möchte an dieser Stelle ein paar subjektive Eindrücke zu  diesem Thema loswerden. Vielleicht decken sich meine Erfahrungen ja teilweise mit euren, und ihr mögt euch angesprochen und verstanden fühlen. Taxifahren ist ein Glücksspiel

Also, es gibt Tage, da ist mir schon beim Aufstehen klar, daß dies nicht mein Tag ist, obwohl ich mein Bett nur zu einer Seite verlassen kann, also immer mit dem gleichen Bein zuerst. Dann ist Vorsicht geboten bei allem, was ich anfasse, und ich schicke ein Stoßgebet in den Taxihimmel, daß ich von anstrengender, aggressiver Kundschaft verschont bleiben möge. Eigentlich weiß ich schon, was mich erwartet: Wenige und kurze Touren,  muffelige Fahrgäste mit abstrusen Wünschen, zwangsläufig wenig Trinkgeld (kein Wunder bei der Flappe), und ausschließlich der Kampf gegen die Uhr ist angesagt und das Schichtende herbeigesehnt.
Dabei hilft es mir nicht, zuhause zu bleiben, denn erstens ist dann mein Chef sauer und das Arbeitsklima für die nächsten Wochen versaut und zweitens ist eh auch zuhause dicke Luft (bin Familienvater) weil es, wie gesagt, nicht mein Tag ist, egal wo ich bin. Dabei wird mir immer wieder aufs neue bewußt, welch intensiver Wechselwirkung mein Privat- und Arbeitsleben unterliegt, die gerade bei unserem Job wirksam wird. Habe ich schlechte Laune und/oder Probleme in meiner Familie oder mit mir selbst, dann läuft auch beim Taxifahren eine Tour nach der anderen an mir vorbei, habe ich Auseinandersetzungen mit Fahrgästen und verdiene höchstens die Margarine aufs Brot, die billige von Aldi. Der Stand Bahnhof ist für mich in dieser Zeit eine beliebte Anlaufstation, hier kann ich die Leute auf mich zukommen lassen anstatt mich selbst zu bemühen, es kommt ja sowieso nichts Gutes dabei heraus. Sich durchbeißen ist die Devise und nach meiner Erfahrung und  meinem Rhythmus geht es nach drei, spätestens vier Schichten wieder aufwärts. 

Denn es gibt sie ja doch immer wieder: Tage, an denen alles flutscht, das Getriebe mit strotzendem Selbstbewußtsein geschmiert ist und mir nichts und niemand in die Quere kommen kann. Auffallend oft fühle ich mich dann auch zuhause harmonisch aufgehoben und bin mit mir selbst zufrieden. So macht es Spaß, mit (fast) allen Kunden ein mehr oder weniger lockeres Gespräch anzuzetteln, das jeweilige Bedürfnis der Fahrgäste zu erspüren, führe nette, erfrischende Gespräche oder intensive  Diskussionen mit Leuten aller Couleur und fühle mich in diesem Job rundum wohl. Unvorstellbar, jemals etwas anderes zu tun. Die wenigen schwierigen Kunden fertige ich souverän ab, und selbst diese kommen beruhigt und zufrieden an ihr Ziel. Das Trinkgeld fällt entsprechend gut aus (kein Wunder, bei der optimalen Dienstleistung), und es gibt wieder Butter und Salami aufs Brot, aufs gute vom Störtebäcker.

Auch wenn es so klingen mag, als wäre ich dem Glück und vor allem den Pechsträhnen hilflos ausgeliefert, möchte ich dennoch das abgedroschene Sprichwort zitieren, daß jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Ich denke schon, daß man die Pechsträhnen ergreifen, sie zu einem Schopf zusammenwickeln und sich an demselben wieder hochziehen kann. Es ist möglich, Unglücksphasen aktiv zu beenden, indem man die Fahrten, die sich bieten, mitnimmt, die Erwartungen nicht zu hoch  hängt und sich nicht widerstandslos ergibt. Gute Touren sorgen so für unerwartete Ãœberraschungen und leiten das Ende der Pechsträhnen ein.

In diesem Sinne viel Kraft und viel Glück!
(am)

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